Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 4: Der Verbrauchsgüterkauf - juraexamen.info (2024)

Jurastudenten und auch Praktiker werden die Nachricht mit gemischten Gefühlen entgegengenommen haben – mit dem Beginn des Jahres 2022 stehen größere Änderungen im allseits prüfungs- und praxisrelevanten Kaufrecht an. Juraexamen.info gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen, die aufgrund der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771 im Kaufrecht der §§ 433 ff. BGB erfolgen. Hierzu veröffentlichen wir eine Reihe von Beiträgen – in diesem vierten Teil der Reihe steht das Verbrauchsgüterkaufrecht im Fokus.
I. Vorbemerkung zur Richtlinie (EU) 2019/771 (Warenkaufrichtlinie)
Die Warenkaufrichtlinie (WKRL), die die bisher geltende Verbrauchsgüterkaufrichtlinie von 1999 ablöst, trifft entsprechend ihres Zwecks, für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, s. Art. 1 WKRL, umfangreiche Regelungen, die den Verbrauchsgüterkauf betreffen, und das Verbrauchsgüterkaufrecht enger mit dem allgemeinen Schuldrecht verknüpfen. Auf die im deutschen Verbrauchsgüterkaufrecht umgesetzten Vorschriften der WKRL wird in der Folge an passender Stelle verwiesen. Die Regelungen zu den Verbrauchsgüterkaufverträgen über digitale Produkte (vor allem §§ 475a ff. BGB) sollen hier noch ausgeklammert werden.
II. Die Umsetzung in deutschen Recht
Die neuen Vorgaben für den Verbrauchsgüterkauf sind an vielen Stellen in das deutsche Kaufrecht eingeflossen und haben dort größere und kleinere Änderungen der Rechtslage bewirkt. Eine schrittweise, chronologische Betrachtung der neu gefassten Normen bietet sich an dieser Stelle an.
1. Verbrauchsgüterkauf, § 474 BGB
Zunächst hat §474 BGB Änderungen erfahren: Der Anwendungsbereich der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf wurde dabei vor allem begrifflich, auch und insbesondere an die WKRL, angepasst (BT-Drs. 19/31116, S.14f.). So heißt es (wie im Weiteren auch) jetzt „Ware“ in §474 I 1 BGB n.F. statt „beweglicher Sache“, wobei auf die Legaldefinition des §241a I BGB verwiesen wird. Die Ware ist danach eine bewegliche Sache, „die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft“ wird – das entspricht auch den Richtlinienvorgaben, s. Art.3 IV b) WKRL. Im Kern ändert sich hierdurch nichts.
Des Weiteren wurde der Anwendbarkeitsausschluss des §474 II 2 BGB eingegrenzt: Keine Anwendung findet das Verbrauchsgüterkaufrecht danach auf gebrauchte Sachen, die bei öffentlich zugänglichen Versteigerungen verkauft werden – so weit so bekannt (neu ist dabei zunächst lediglich der Verweis auf §312g II Nr.10 BGB). Der Ausschluss der Anwendbarkeit erfordert nunmehr jedoch darüber hinaus, dass dem Verbraucher „klare und umfassende Informationen darüber, dass die Vorschriften dieses Untertitels nicht gelten, leicht verfügbar gemacht wurden.“ Zu beachten ist, dass der Begriff „umfassend“ in diesem Kontext weder im BGB noch in Art.3 WKRL nähere Bestimmung erfahren hat – der Umfang der Informationsobliegenheit des Unternehmers ist damit unklar und wird noch zu konkretisieren sein (Wilke, VuR 2021, 283, 289). Für den Fall, dass es sich um eine Versteigerung aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahme handelt, bestehen allgemein keine kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche, § 806 ZPO, § 283 AO (BT-Drs. 19/27424, S. 28).
2. Anwendbare Vorschriften, § 475 BGB
Erhebliche Änderungen finden sich in §475 BGB n.F., der die auf den Verbrauchsgüterkauf anwendbaren Vorschriften festlegt. Gestrichen wurden §475 IV, V BGB a.F. hinsichtlich des relativen Verweigerungsrechts des Unternehmers bei Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung, um der geänderten europarechtlichen Rechtslage gerecht zu werden – nach Art.13 III WKRL nämlich besteht nun ein absolutes Verweigerungsrecht (dazu BT-Drs.19/27424, S.29; Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.25).
Relevant ist §475 III 2 BGB n.F., der neben §§445 und 447 II BGB nun auch §442 BGB für das Verbrauchsgüterkaufrecht ausschließt. Diese Änderung hat zur Folge, dass der Verbraucher auch dann nicht seine Gewährleistungsrechte verliert, wenn er bei Vertragsschluss Kenntnis von dem Mangel hat. Vielmehr müssten für einen Ausschluss der Gewährleistungsrechte die Voraussetzungen des §476 I 2 BGB n.F. vorliegen; das entspricht den Vorgaben des Art.7 V WKRL (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.24).
Auch neu ist §475 V BGB n.F., der dem Unternehmer in Umsetzung von Art.14 I WKRL die Rechtspflicht auferlegt, „die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen“. Zu beachten sind dabei die Art der Ware und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass dies im Umkehrschluss nicht bedeute,

„dass die Nacherfüllung außerhalb von Verbrauchsgüterkaufverträgen nicht innerhalb angemessener Frist durchgeführt werden muss oder mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Gläubiger verbunden sein darf.“ (BT-Drs. 19/27424, S.29).

Eine Nacherfüllung, welche die hier aufgeführten Pflichten des Unternehmers verletzt – also z.B. zwar erfolgreich, aber mit erheblichen Unannehmlichkeiten verknüpft ist –, hat indes nicht zur Folge, dass der Verbraucher vom Vertrag zurücktreten kann; er kann lediglich die Nacherfüllung ablehnen oder aber Schadensersatz nach §280 I BGB verlangen, so dessen Voraussetzungen vorliegen (BT-Drs.19/27424, S.37).
Neu sind schließlich noch, entsprechend der Richtlinienvorgabe des Art. 16 III WKRL, die in § 475 VI BGB n.F. enthaltenen, folgenden Klarstellungen in Bezug auf Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung (§ 281 V BGB): Der Verbraucher ist generell bei Rücktritt oder Geltendmachung des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung nach § 346 BGB zur Rückgabe der Ware (oder zu Wertersatz) verpflichtet. § 475 VI 1 BGB n.F. legt dem Unternehmer nun die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Rücksendekosten auf. Auch weicht die neue Regelung des § 475 VI 2 BGB n.F. von dem Grundsatz ab, dass die sich nach dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags gem. §§ 346 ff. BGB nach §§ 348, 320 BGB i.d.R. Zug-um-Zug zu erfüllen sind: Ein Rückerstattung des Kaufpreises bzw. Schadensersatzleistung durch den Unternehmer muss nach der neuen Rechtslage bereits dann erfolgen, wenn der Verbraucher nachweist, dass er die Ware abgesendet hat.
3. Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB
Abweichend von §§ 323 II und 440 BGB legt § 475d I BGB n.F. zur Anpassung an Art. 13 IV WKRL fest, wann bei Rücktritt und Minderung, die automatisch wegen § 441 I 1 BGB miterfasst ist, die grundsätzlich nach § 323 I BGB erforderliche Fristsetzung entbehrlich ist. Die Norm erlangt darüber hinaus gem. § 475d II 1 BGB Geltung für den Schadensersatz statt der Leistung, sodass auch die Fristsetzung nach § 281 I BGB in den aufgezählten Fällen nicht notwendig ist; insoweit werden mit § 475d II 2 BGB n.F. die §§ 281 II und 440 BGB für unanwendbar erklärt. § 475d I BGB n.F. enthält fünf Fälle, in denen die Fristsetzung entbehrlich ist:
Nr.1: Zunächst ist die Fristsetzung dann entbehrlich, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt der Unterrichtung über den Mangel durch den Verbraucher nicht vorgenommen hat. Das bedeutet, dass der Verbraucher, um die Frist auszulösen, nicht mehr ausdrücklich die Nacherfüllung verlangen muss (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.41; krit. zum Richtlinientext Wilke, VuR 2021, 283, 290).
Nr.2: Ein weiterer Grund für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung ist das Auftreten eines Mangels trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung. Es besteht damit, als Erleichterung des Rücktritts, die Möglichkeit, bereits nach dem ersten erfolglosen Nacherfüllungsversuch zurückzutreten (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.42). Das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung wird damit eingeschränkt; §440 S.2 BGB kann auf Verbrauchsgüterkäufe nicht mehr angewendet werden (BT-Drs. 19/27424, S.37).
Zu berücksichtigen ist aber Erwägungsgrund52 der WKRL, der deutlich macht, dass nicht in jedem Fall ein erfolgloser erster Versuch der Nacherfüllung ein sofortiges Rücktrittsrecht auslöst – Art.13 IVb) WKRL ist im Zusammenhang mit diesem Erwägungsgrund zu lesen (Wilke, VuR 2021, 283, 290). Hiernach ist eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen:

„In bestimmten Fällen könnte es gerechtfertigt sein, dass der Verbraucher Anspruch auf eine sofortige Preisminderung oder Beendigung des Vertrags haben sollte. Wenn der Verkäufer Schritte unternommen hat, um den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, anschließend jedoch eine Vertragswidrigkeit offenbar wird, sollte objektiv bestimmt werden, ob der Verbraucher weitere Bemühungen des Verkäufers, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, akzeptieren sollte, wobei alle Umstände des Falles wie Art und Wert der Waren und Art und Bedeutung der Vertragswidrigkeit zu berücksichtigen sind. Insbesondere bei teuren oder komplexen Waren könnte es gerechtfertigt sein, dem Verkäufer einen weiteren Versuch zur Behebung der Vertragswidrigkeit zu gestatten. Außerdem sollte berücksichtigt werden, ob vom Verbraucher erwartet werden kann, dass er weiterhin darauf vertraut, dass der Verkäufer in der Lage ist, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, beispielsweise weil dasselbe Problem zum zweiten Mal auftritt. Gleichermaßen könnte die Vertragswidrigkeit in bestimmten Fällen so schwerwiegend sein, dass der Verbraucher nicht mehr darauf vertrauen kann, dass der Verkäufer in der Lage ist, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, beispielsweise wenn die Vertragswidrigkeit die Möglichkeit des Verbrauchers zur normalen Verwendung der Waren ernsthaft beeinträchtigt und von ihm nicht erwartet werden kann, darauf zu vertrauen, dass eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung durch den Verkäufer dem Problem abhelfen würde.“ (Erwägungsgrund 52 WKRL, Hervorh. d. Verf.)

Nr.3: Zusätzlich gilt: Bei einem schwerwiegenden Mangel, der den sofortigen Rücktritt rechtfertigt, ist ebenfalls keine Fristsetzung notwendig. Zur Bestimmung, ob ein solch schwerwiegender Mangel vorliegt, ist eine Abwägung der gegenüberstehenden Interessen von Verbraucher und Unternehmer im Einzelfall erforderlich – die genaue Konturierung dieser Abwägung und die Gewichtung der abwägungsrelevanten Belange ist von der Rechtsprechung vorzunehmen (BT-Drs. 19/27424, S.37f.).
Nr.4: Verweigert der Unternehmer die ordnungsgemäße Nacherfüllung, wie sie von §§439 I und 475 V BGB n.F. vorgeschrieben wird, kann der Verbraucher ebenfalls ohne Fristsetzung zurücktreten. Ob die Verweigerung berechtigt oder unberechtigt ist, ist nicht entscheidend (BT-Drs. 19/27424, S.38). Es ist in deutlichem Unterscheid zu §§323 II Nr.1 und 281 II BGB nicht mehr erforderlich, dass der Unternehmer die Nacherfüllung „ernsthaft und endgültig“ verweigert (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.44).
Nr.5: Darüber hinaus braucht der Verbraucher dann keine Frist zu setzen, wenn es den Umständen nach offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird.
4. Sonderbestimmungen für Verjährung, § 475e BGB
Neu im BGB aufgenommen ist §475e BGB: Die Norm regelt besondere Bestimmungen für die Verjährung.
Für den vorliegende Beitrag relevant ist zunächst §475e III BGB n.F.: Verbraucher sollen die Möglichkeit haben, ihre Gewährleistungsrechte auch kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend zu machen (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.49). Das legt auch der Gesetzgeber dar:

„Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass dem Unionsrecht eine möglichst optimale Wirkungskraft zu verleihen ist (effet utile), scheidet eine Gleichsetzung der Länge der Verjährungsfrist mit der Länge der in Artikel 10 Absatz 1 und 2 WKRL bestimmten Gewährleistungsfrist unionsrechtlich aus. Da die Einleitung verjährungshemmender Maßnahmen stets eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, würde eine solche Regelung den Verbraucher faktisch daran hindern, solche Mängel geltend zu machen, die erst zum Ende der Dauer der Gewährleistungsfrist offenbar wurden. Damit würde ein unverändertes Beibehalten der zweijährigen Verjährungsfrist den Vorgaben des Artikel 10 Absatz 5 Satz 2 WKRL nicht gerecht.“ (BT-Drs. 19/27424, S. 40, Hervorh. d. Verf.)

Aus diesem Grund sieht die Vorschrift eine Ablaufhemmung der Verjährung von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt vor, zu dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.
Auch §475e IV BGB n.F. kennt einen weiteren Tatbestand der Ablaufhemmung für den Fall, dass der Verbraucher die Ware „zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie […] dem Unternehmer oder auf dessen Veranlassung einem Dritten übergeben“ hat: Die Verjährung tritt nicht vor Ablauf von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt ein, in dem der Verbraucher die nachgebesserte oder ersetzte Ware übergeben wurde. Dies gibt dem Verbraucher die Möglichkeit, die Ware zu überprüfen (BT-Drs. 19/27424, S. 41).
5. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB
Überarbeitet wurde auch §476 BGB, der die Möglichkeit zu abweichenden Vereinbarungen zu Lasten des Verbrauchers einschränkt. Im Grunde gleich geblieben ist §476 I 1 BGB n.F., der grundsätzlich abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Verbrauchers verbietet. Das Umgehungsverbot wurde in §476 IV BGB n.F. verschoben.
Wichtig ist hier insbesondere die Regelung des §476 I 2 BGB n.F., die Art.7 V WKRL umsetzt: Früher waren negative Beschaffenheitsvereinbarungen auch beim Verbrauchsgüterkauf generell möglich (Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.55). Diese Möglichkeit erfährt nun eine Einschränkung, da §476 I 2 BGB n.F. eine Abweichung von den Anforderungen §§434 III oder475b IV BGB n.F. nur dann gestattet, wenn der Verbraucher vor der Abgabe der Vertragserklärung eigens, also besonders, darüber informiert wurde, dass und inwieweit die objektiven Anforderungen an die Ware nicht erfüllt sind, und dies im Vertrag ausdrücklich und gesondert festgehalten wurde. Besonderes Augenmerk ist dabei auf den Begriff „gesondert“ zu werfen:

„Das Merkmal ,gesondert‘, erfordert, dass die Abweichung hervorgehoben wird, damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbezieht. Um eine Abweichung von der objektiven Beschaffenheit zu vereinbaren, reicht es daher nicht aus, diese neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einen Formularvertrag oder separate Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzustellen. Die Vertragsunterlagen müssen vielmehr so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann.“ (BT-Drs. 19/27424, S. 42, Hervorh. d. Verf.)

Beim Kaufvertragsschluss online z.B. muss der Unternehmer eine entsprechende Schaltfläche vorsehen, die der Verbraucher betätigen können muss, die Option, ein bereits gesetztes Häkchen abzuwählen, reicht nicht (BT-Drs. 19/27424, S.42).
Des Weiteren untersagt §476 II 1 BGB n.F. vertragliche Verjährungsvereinbarungen, die kürzer als zwei Jahre, bei gebrauchten Waren kürzer als ein Jahr sind (dies gestattet Art.10 VI WKRL ausdrücklich). Für jede Verkürzung der Verjährungsfrist setzt §476 II 2 BGB n.F. voraus, dass der Verbraucher erneut eigens in Kenntnis gesetzt und die Verkürzung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von §476 II 2 BGB n.F. auf Vereinbarungen über die Verkürzung der Verjährung bei gebrauchten Waren erschließt sich nicht (so aber Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn.58) und ist im Wortlaut der Norm auch nicht angelegt. Die höheren Anforderungen an die Vereinbarungen dienen im Wege der Vereinheitlichung der Rechtsklarheit und Vereinfachung der Rechtsanwendung (BT-Drs. 19/27424, S.43); das gilt für neue wie für gebrauchte Waren.
Kurz gesagt enthält § 476 BGB n.F. also folgende Regelungen: Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht ist beim Verbrauchsgüterkauf zwingend und Abweichungen zu Lasten des Verbrauchers sind unzulässig. Die Möglichkeit, eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zu treffen, wird eingeschränkt und die Verjährungsverkürzung erhält neue Wirksamkeitserfordernisse. Unverändert bleibt übrigens § 476 III BGB, der die Anwendbarkeit der Absätze 1 und 2 unbeschadet der §§ 307 bis 309 BGB für Schadensersatzansprüche verneint.
6. Beweislastumkehr, § 477 BGB
Der höchst examensrelevante § 477 BGB wurde an Art. 11 I WKRL angepasst, sodass die Beweislastumkehr nach § 477 I 1 BGB n.F. nun ein Jahr ab Gefahrübergang beträgt – zeigt sich der Mangel innerhalb dieser Zeit, wird die Mangelhaftigkeit der Ware bereits bei Gefahrübergang vermutet. Der Kauf lebender Tiere erhält eine Sonderregelung, diesbezüglich gilt weiterhin die Frist von sechs Monaten, § 477 I 2 BGB n.F. Die Mitgliedstaaten hätten sich nach Art. 11 2 WKRL auch für eine generelle Frist für die Beweislastumkehr von zwei Jahren entscheiden können (Ausnahme von der Vollharmonisierung). Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dagegen entschieden, da der Informationsvorsprung über den Zustand der Ware des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher, welcher der Grund für die Beweislastumkehr ist, sich verringert und der Käufer den größeren Einfluss auf die Ware und ihren Zustand hat (BT-Drs. 19/27424, S. 44). Dies ist sachgerecht.
7. Sonderbestimmungen für Garantien, § 479 BGB
Eine letzte Anpassung soll hier noch betrachtet werden: §479 BGB n.F., der Sonderbestimmungen für Garantien enthält, wurde den Richtlinienvorgaben des Art.17 WKRL entsprechend geändert. Die Transparenzanforderungen an die Garantie wurden erweitert und strenger gefasst, §479 I Nr.1-5 BGB n.F. Darüber hinaus ist dem Verbraucher die Garantieerklärung spätestens bei Lieferung der Ware zur Verfügung zu stellen, er muss ihre Mitteilung in Textform also nicht mehr selbstständig verlangen, vgl. §479 II BGB n.F. und a.F. Darüber hinaus regelt die Norm jetzt einen Mindestinhalt der Herstellergarantie, §479 III BGB n.F.
III. Summa
Auch für das neue Verbrauchsgüterkaufrecht gilt: Vieles erschließt sich bei gründlicher Lektüre der neuen BGB-Normen. Stellenweise schadet es dabei auch nicht, die WKRL und ihre Erwägungsgründe daneben zu legen – diese enthalten wertvolle Hinweise zur Arbeit mit den neuen Vorschriften und helfen dabei, sich Sinn und Zweck der Regelungen vor Augen zu führen. Vor einer Klausur, die sich im neuen Kaufrecht bewegt, braucht niemand Angst zu haben. Wichtig ist es, sich mit den neuen Normen vertraut zu machen und sie zu kennen. Ein kaufrechtlicher Fall, der sich dazu im Verbrauchsgüterkaufrecht abspielt, sollte sich dann bei sauberer Arbeit mit dem Gesetz und gründlicher Subsumtion gut bewältigen lassen.
Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 4: Der Verbrauchsgüterkauf - juraexamen.info (1)

Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 4: Der Verbrauchsgüterkauf - juraexamen.info (2024)

FAQs

Wo ist der Verbrauchsgüterkauf geregelt? ›

Der Verbrauchsgüterkauf stellt eine besonders wichtige Unterart der Kaufverträge dar und ist in den §§ 474 – 479 BGB geregelt. Ein Verbrauchsgüterkauf liegt demzufolge vor, wenn ein Verbraucher (§ 13 BGB) von einem Unternehmer (§ 14 BGB) eine Ware i.S.d. § 241a BGB kauft.

Für welche Verträge gilt das neue Kaufrecht? ›

Das neue Kaufrecht betrifft hauptsächlich Verbrauchsgüterkaufverträge, also Kaufverträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden (B2C). Einzelne Regelungen gelten allerdings für sämtliche Kaufverträge unabhängig davon, ob die Parteien als Händler oder als Privatperson handeln.

Wann wurde das Kaufrecht geändert? ›

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge vom 25.06.2021 sowie zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25.06.2021 die Novellierung des Kaufrechts und somit Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beschlossen.

Was gilt bei einem Verbrauchsgüterkauf als Mangel? ›

Die gekaufte Ware ist dann mangelhaft, wenn sie nicht die Beschaffenheit oder Eigenschaften aufweist, die zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart wurden.

Wer trägt beim Verbrauchsgüterkauf die Beweislast? ›

Der Käufer trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 363 BGB.

Wann liegt ein Sachmangel im Kaufrecht vor? ›

Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Sache nicht den subjektiven Anforderungen entspricht. Eine Sache entspricht nicht den subjektiven Anforderungen, wenn sie: - bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (hierzu zählt u.a. auch die vereinbarte Menge; wird also zu wenig geliefert, liegt ein Mangel vor).

Wer zahlt für Aus und Einbau beim Austausch defekter Ware B2B? ›

Hat der B2B-Kunde die mangelhafte Kaufsache am Ende der Lieferkette an einen Verbraucher verkauft, der wegen des Mangels seinen gesetzlichen Erstattungsanspruch aus § 439 Abs. 3 BGB geltend macht, so muss der B2B-Käufer dem Verbraucher die betreffenden Aus- und Einbaukosten erstatten.

Was umfasst das Kaufrecht? ›

Das in den §§ 433 ff. BGB normierte Kaufrecht regelt die Vertragsbeziehung zwischen Käufer und Verkäufer und unterscheidet hierbei zwischen dem allgemeinen Kaufrecht (§§ 433-453) und besonderen Arten des Kaufs (z.B. Probekauf, Wiederkauf, Vorkauf in §§ 454-473) sowie dem Verbrauchsgüterkauf (§§ 474-479).

Was ist der Unterschied zwischen Kaufrecht und Vorkaufsrecht? ›

Im Gegensatz zum Kaufsrecht, welches grundsätzlich jederzeit ausgeübt werden kann, ermöglicht es das Vorkaufsrecht eine Sache nur dann zu erwerben, wenn der Vorkaufsfall (Verkauf) eingetreten ist.

In welchem Gesetzbuch ist das Kaufrecht und Vertragsrecht geregelt? ›

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag.

Wann beginnt Verjährung im Kaufrecht? ›

Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald der Anspruch entstanden ist, also nicht erst zum Jahresende (§ 200 BGB). Die Verjährung wird daher regelmäßig unterjährig beginnen und enden.

In welcher Rechtsvorschrift sind die Rügefristen beim Verbrauchsgüterkauf geregelt? ›

Unter einem Verbrauchsgüterkauf, gesetzlich geregelt in den §§ 474 bis 479 BGB, ist der Kauf beweglicher Sachen seitens eines Verbrauchers von einem Unternehmer zu verstehen, siehe § 474 BGB.

Wo ist der Kaufvertrag im BGB geregelt? ›

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag. (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

In welchen Gesetzen ist der Kaufvertrag geregelt? ›

Für Verträge zwischen Unternehmen sind insbesondere auch die Regelungen im Unternehmensgesetzbuch (UGB) zu berücksichtigen. Besondere Bestimmungen für Geschäfte zwischen Unternehmen und Konsumentinnen/Konsumenten finden sich u.a. im Konsumentenschutzgesetz (KSchG).

Was ist ein Verbrauchervertrag Wo ist das geregelt? ›

Ein Verbrauchervertrag ist ein Vertrag zwischen einem oder einer Unternehmer*in und Verbraucher*in, §§ 312 I, 310 III BGB. Die Widerrufsfrist beträgt nach § 355 II 1 BGB für alle Widerrufsrechte grundsätzlich 14 Tage.

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